Viele Menschen leiden unter Ängsten oder Angststörungen. Wenn solche Gefühle das Leben bestimmen, dann ist es Zeit, zu handeln.
Ein wenig verblüfft bin ich schon, als Marianne (Name geändert) am ersten Seminartag direkt auf mich zusteuert. „Ich würde gern mit dir arbeiten, ist das ok für dich?“ „Sehr gerne!“ antworte ich. Wie sie denn ausgerechnet auf mich käme, frage ich sie. „Na, irgendwie strahlst du Vertrauen aus und ich kann nur mit Menschen zusammenarbeiten, bei denen ich so etwas spüre!“ Die Zweiundfünfzigjährige aus Sachsen und ich nehmen an einer umfangreichen Fortbildung zum Thema „Therapeutische Hypnose“ teil. Marianne berichtet mir, dass die Angst vor Menschen, und besonders vor körperlicher Nähe, ihr ganzes Leben bestimme. In unserer ersten Sitzung führe ich sie mit einer Traumreise an einen wunderbaren Ort voller positiver Ressourcen. „Das war wunderschön!“ kommt es ihr über die Lippen, nachdem sie wieder aus der Trance zurückgekehrt ist. Noch ahne ich nicht welche schlimmen Erfahrungen die schmächtige Frau, die bei regimetreuen Mustereltern in der DDR aufgewachsen ist, gemacht hat. Ihr Vater war systemtreuer Funktionär, ihre Mutter hat sie als Lehrerin immer wieder gemaßregelt und als Versagerin und Nichtsnutz tituliert. Marianne möchte endlich ihre Ängste loswerden und später auch anderen helfen, solche Gefühle zu überwinden. Die weiteren Therapiesitzungen decken schließlich ein ganzes Bündel leidvoller Kindheitserfahrungen auf, die Mariannes Ängste geprägt haben.
So bedrohlich und unberechenbar die Angst bisweilen erscheinen mag, so ist sie doch ein sinnvoller Schutzmechanismus. Die Muskeln spannen sich an, der Atem beschleunigt, der Puls rast. All das dient dem Überleben bei Gefahr und hilft uns die richtige Entscheidung zu treffen: Angriff, Verteidigung oder Flucht! Für einige Menschen bleibt es aber nicht bei den gelegentlichen Momenten der Angst, sondern sie können zum ständigen Begleiter werden. Dabei benennen die Fachleute fünf wesentliche Kategorien.
Handelt es sich um isolierte Ängste, die oft bestimmte Ereignisse oder Gegenstände betreffen, dann spricht man von (isolierten) Phobien. Die Klassiker sind bekannt als Tierphobien (z.B. Angst vor Spinnen, Mäusen, Hunden), Flugangst, Höhenangst, Angst vor engen Räumen (Klaustrophobie) und mehr. Die Betroffenen meiden entsprechende Kontakte und Situationen. Eine weit verbreitete Phobie ist die Furcht im Mittelpunkt zu stehen oder sich einer kritischen Betrachtung durch andere unterziehen zu müssen. Das bezeichnet man als Soziale Phobie. Bei der Agoraphobie (griech. agorá Marktplatz) tritt die angstbehaftete Situation in der Öffentlichkeit auf, beispielsweise auf dem Marktplatz, bei Veranstaltungen mit vielen Menschen oder gar auf Reisen. Etwa 4 % der Bundesbürger sind davon betroffen. Sie haben Angst im Notfall nicht rasch genug den Ort verlassen zu können und dann hilflos zu sein. Solche Ängste gehen mit ausgeprägten Symptomen einher, die sich sowohl körperlich als auch in Wahrnehmung und Empfinden zeigen.
Ein gewisses Maß an Sorgen ist völlig normal. Beherrscht die Angst um Arbeit, Familie, Gesundheit und Zukunft den Alltag, erscheint jede Kleinigkeit sofort bedenklich; ist man immer körperlich angespannt und schnell erschöpft, dann kann das ein Hinweis auf eine generalisierte Angststörung sein. Von einer Panikattacke sprechen Experten, wenn plötzlich ohne erkennbaren äußeren Anlass das Herz pocht, die Luft knapp wird, Schweiß ausbricht und das Gefühl extremer Angst übermächtig wird. Diese Symptome klingen in der Regel nach 30 Minuten wieder ab. Etwa jeder elfte Erwachsene hat diese akute Angst in seinem Leben schon einmal erlebt. Treten solche Attacken immer wieder auf und entwickelt sich daraus eine „Angst vor der Angst“, kann daraus eine Panikstörung entstehen.
Ängste sollten immer ernst genommen werden! Heute stehen viele Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, krankhaft übersteigerte Furcht zu behandeln. Kann man etwas tun, um gar nicht erst in die Spirale der Angst hineinzugeraten? Fachleute bejahen das und betonen, dass auch schon kleine Veränderungen der Lebensweise helfen können, die Psyche robuster gegen Ängste zu machen. Dabei ist alles geeignet, was hilft Stress abzubauen: ausreichende Bewegung, ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Schlaf und stabile Beziehungen. Auch die Aufarbeitung von angstprägenden Kindheitserlebnissen unter fachkundiger Anleitung kann befreiend wirken.
So war es auch bei Marianne. Schon nach der dritten Hypnosesitzung wirkte ihre Körperhaltung viel entspannter und sie lachte wieder mehr. Auf meine Frage, wie es ihr jetzt gehe, antwortete sie: „Bange machen gilt nicht – ich denke, ich habe jetzt wieder mehr Mut zum Leben!“